PAV_STIP 2019

Einführung (Auszug) Karl-Heinz Boyke. Bildhauer, Sachverständiger KiöR

Dem eigenen Bekunden nach soll das PAV-STIP das kleinste Stipendium der Welt sein! Ich persönlich kenne ein noch kleineres Stipendium:

Mein Großvater gab mir früher gelegentlich 1-2 Mark, damit ich Feldforschungen an einer Marabou-Vollmilchschokolade betreiben konnte. Dabei stellte ich fest, dass die Abbisslinie selten in der Mitte verläuft. Ich fragte mich dann, ob der Ober- oder der Unterkiefer der jeweils gierigere war. Und ich beobachtete weiter, wie die präzisen Zahnabdrücke mit ihren unregelmäßigen Rundungen und Einbuchtungen in eine seitliche Bruchkante, quasi in ein Nonfinito übergingen und dann beide Ereignisse zusammen genüsslich, als köstlicher Schmelz, in meinem Mund verschwanden. Das Kleinste Stipendium verlangt natürlich auch nach dem kürzesten Vortrag. Die Zuständigen des KW haben drei hervorragende Künstlerinnen und Künstler für dieses Stipendium 2019 ausgesucht.

Der Titel „plastische orte“, entwickelte sich 2019 aus dem Arbeitsprozess sculpture_concept | in progress. Die Künstler_in mioq, Fabian Vogler und Karl-Heinz Boyke kumulierten hierfür ihre künstlerischen Positionen.

Die Skulptur ist dabei allgemein ein dreidimensionales, körperhaftes Objekt der bildenden Kunst. Wir nähern uns der Dreidimensionalität der Skulptur als Konzept und wählen den Kreis Pinneberg als Standort der Aktion und Präsentation von neu vor Ort gefertigten plastischen Werken. Ein konzentriertes KiöR / Kunst-im-öffentlichen- Raum-Vernetzungskonzept für den Kreis Pinneberg mit dem Impulscharakter für das Land Schleswig- Holstein. In der weiteren Annäherung an die Dreidimensionalität, bietet sich in urbanen Zonen, von Schleswig-Holstein ein temporär geschaffener experimenteller Raum / Ort mit der Möglichkeit zur Gestaltung von Skulpturen / temporären Aktionen / Performances / an. Einen Ort des Wechsels von Gezeiten, des Denkens und des Experimentierens. Mit der Prä- sentation der Ergebnisse

Gregory Büttner, Anne Dingkuhn und Nina Maria Küchler

Erleben und das eintägige Schaffen der jeweiligen Künstler sind zwar nicht gänzlich in ihrer „Durchdringung“ nachzuvollziehen, weil sich nun alle DREI gleichzeitig mit ihrer Präsentation hier im Pavillon tummeln. Der Eindruck und der Umgang der Künstler mit einem „nackten“ Pavillon, lässt sich daher nur erahnen, trotzdem ergänzen sich die unterschiedlichen Arbeiten in der abschließenden Schau hervorragend, so dass ein stimmiges Ganzes entstanden ist.

Gregory Büttner

Mein Tag im Pavillon war der 18.8.2019, ein Sonntag. Mein Ansatz war, den Pavillon akustisch zu untersuchen und ihn als Instrument zu begreifen. Neben Aufnahmegerät und verschiedenen Mikrofonen, hatte ich noch Glaskugeln, eine Bürste und einen präparierten Milchschäumer mitgebracht. Der Pavillon ist ein fast leerer Raum mit Betonboden, Reetdach, vier Fenstern, Tisch, Korbstuhl und Holz- wänden. Wenn man sich akustisch in etwas hineinvertieft, kann man viele kleine Details entdecken. Jede der alten Holzplanken hat einen eigenen Klang. Diese hab ich ausgiebig abgeklopft und bespielt. An den Wänden stecken alte Nägel mit Resten von Nylonschnur. Diese erzeugen wunderbare Klänge, wenn sie über die Nägel gezogen werden. Und dann ist da noch die „Stille“, die, wenn man sie verstärkt, tiefe Bassfrequenzen der an- und abfahrenden Busse enthält, Rauschen der Bäume, mein Atmen, Rascheln auf dem Korbstuhl.

www.gregorybuettner.de

Anne Dingkuhn

Am 22.8.2019 durfte ich für 24 Stunden in den Pavillon im Garten des ateliers.kunstremise.mioq einziehen. Da sich mein Projekt mit den Fenstern und mit der Wahrnehmung im Übergang von Außenwelt – und Innenwelt befasst, war der Aufenthalt über den ganzen Tag und bis in die Nacht geplant. Er war darauf angelegt, auch den Wandel durch die sich ändernden Lichtverhältnisse bis zur (fast) völligen Dunkelheit, und die damit einhergehende Verlagerung der Wahrnehmungen zu beobachten und zu bearbeiten. Tatsächlich bot dieser kleine Raum eine wunderbare Möglichkeit, abgeschieden zu sein und doch – durch seine leichte Bauweise und die zentrale Lage – durchlässig und mitten drin. Für meine Arbeit habe ich das als ganz besondere Bereicherung empfunden. So ein konzentrierter, und eben auch inspirierender, weil offener und durchlässiger Raum bietet die ideale Möglichkeit, die Sinne zu schärfen, und die eigene Arbeit in einen anderen Kontext zu stellen. Das ist für die künstlerische Arbeit enorm wichtig. Außerhalb von Routine und den Alltagsstrukturen, einmal einen Blick von Außen einnehmen – so einfach das klingt, so schwer ist das zu realisieren. Deshalb einen großen Dank für diese tolle Möglichkeit mit diesem Stipendium

Film: Künstlerportrait

Nina Küchler

Nina Maria Küchler

Meinen Tag im Pavillon wollte ich nutzen, um an einem Projekt zu arbeiten, das ich im Rahmen eines Stipendienaufenthaltes in Säxnäs, im schwedischen Lappland im Frühjahr 2019 mit einigen Skizzen angefangen hatte.
Das Projekt trägt als Titel ein Zitat aus Hamlet, Akt 3, Szene 2:
„Hamlet: Do you see yonder cloud that’s almost in shape of a camel? Polonius: By the mass, and ‘tis like a camel, indeed.
Hamlet: Methinks it is like a weasel.
Polonius: It is backed like a weasel.
Hamlet: Or like a whale?
Polonius: Very like a whale.“
Hamlet und Polonius unterhalten sich über die Form der Wolken über ihnen, und deuten ihre Form.
Ich habe den Tag des Stipendiums genutzt, um vor Ort meine Skizzensammlung von Wolkenformen zu erweitern, und daraus für die ab- schließende Ausstellung im Herbst Formen dieser Zeichnungen aus Spielglas fertigen zu lassen. Diese wurden dann auf dem Boden des Pavillons gezeigt, zusammen mit einem Digitaldruck des titelgebenden Textes an der Wand.

www.ninamariakuechler.de

2019 wurde PAV_STIP und die Ausstellung von engagierten Kunst und Kultur Unterstützer*innen Und dem kulturwerk sh gefördert. Herzlichen Dank!