Plastische Orte:
UMSPANNEN

In der Reihe „Plastische Orte“ wanderte die Ausstellung „UMSPANNEN“ an den Zaun der Kunstremise in Pinneberg, in den öffentlichen Raum. Aus der Rede von Karl Boyke am 15.11. 2020 zur Eröffnung: „Ab- und Ausgrenzung, Umgrenzung, Begrenzung, Eingrenzung, dies sind Begriffe, die aktueller denn je sind. (…) Zäune können abwehren, sie können aber auch dazu einladen, sie zu überwinden und Innen und Außen miteinander zu verbinden.“ Die Arbeiten an und über dem Zaun „umspannen“ den öffentlichen Raum in einer Krisenzeit: „Die Kunst und die Kultur finden immer einen Weg“ auf ganz unterschiedliche Weise.

Beispiele aus der Ausstellung:

Birgit Bornemann

Eine großflächig bedruckte Zaunabdeckung zeigt eine Sammlung bizarrer Detailaufnahmen im Polaroid-Format. Sie zeigen Orte und Plätze, die in diesem Jahr mit Warnbändern abgesperrt wurden. Das Zaunelement zitiert das Geschehen und lässt die Betrachter mit Blicken die Absperrung überwinden. „Wandlung ist unermüdlich“

Karl Boyke

„Transportiert“ in seinem Koffer sowohl die formale Ästhetik als auch die konzeptionelle Kunst. Beide Richtungen sind völlig unterschiedlich, gehören aber doch zusammen, bedingen einander, sind für Boyke nicht ohne einander denkbar.

Anne Dingkuhn

entwarf drehbare Betonscheiben. Sie wirken wie Verteidigungsschilde, die das Areal, den Zaun schützen sollen. Sie sind jedoch selbst ein Eingriff, eine „gestaltete Intervention“.

Feine Menschen

bedeckten den Zaun mit einer LKW-Plane. Darauf die Aufforderung „#bittebeachtensiedenzaun“. So ist die Plane die Kunst und der Zaun Ort für die Kunst und nicht mehr Zaun.

Gagel

druckte ihre Fotosofie auf große LKW-Planen, die den Zaun bedecken. Sie zeigt Menschen in bisweilen brenzligen Situationen zwischen „nur-so-da-sitzen“ und dramatischer Aktion.

Karin Hilbers

montierte einen ungewöhnlichen Alltagsgegenstand an den Zaun: Ein Hilfsgerät zum ordentlichen Falten von Kleidungsstücken. Dazu setzte sie eine neue Bedienungsanleitung als Protest gegen „das gleichgeströmte Denken in rechten Winkeln“.

Brigitta Höppner

erinnerte mit einer Materialcollage an Zeiten der Entbehrung. An Schafszäunen verfangen sich Wollfetzen, die früher von Flüchtlingen gesammelt, gewaschen und versponnen wurden zu „Wolle-von den Zäunen-Kleidung“. Die Mutter der Künstlerin sicherte ihr so das Überleben: mit Hilfe eines Zauns.

Florian Huber

flechtet Absperrbänder in den Zaun, den er dafür in seiner Struktur nutzt. Derart gewoben waren sie nur noch scheinbar, will der Künstler den Betrachter auf Distanz zum „Tatort“ halten. Das Werk lädt zur Nähe ein, denn die optische Irritation will untersucht werden.

Thomas Judisch

zeigt Gelbe Säcke. Sie transportieren den Müll, der sich als Portrait des individuellen Menschen in der modernen Gesellschaft lesen lässt, als Abbild der modernen Lebensverhältnisse. Neuerdings verschwinden diese „Wertstoffsäcke“ in gelben Containern, sind nicht mehr sichtbar. So sind nicht nur die Müllsäcke ein Abbild des modernen Lebens sondern auch diese Abbildungen ein Zeitdokument.

Klaus Müller

legt mit seinen Textcollagen den Finger in die aktuellen „Wunden“ der Gesellschaft, thematisiert Rassismus, Intoleranz und Ausgrenzung. Es gibt aber eine andere Seite: Kunst kann beim Überwinden hilfreich sein.

MIOQ

visualisiert die Entschleunigung, einen Pleonasmus der heutigen Zeit. Ausgangssperren und Quarantäne zwingen zu neuer Kreativität. Die Schneckenspuren zeigen einen Weg, der sehr langsam bewältigt wurde. Phantasie ist ein wichtiger gesellschaftlicher Motor – wie in dieser Ausstellung – in ganz eigenem Tempo.

René Scheer

errichtet eine neue Mauer am Zaun – quasi eine Doppelung der Barriere. Es sind keine wirklichen Steine, sondern Imitate aus bemalten Getränkeverpackungen. So wird auch die Mauer zur Imitation, zum Symbol und zur Aufforderung, jegliche Mauern zu überwinden.

Oskar Schroeder

ließ sich ganz auf die Umgebung der Remise ein. Er sieht den Ort als Spannungsfeld zwischen Innenstadt und Wald. Aus altem Mobiliar schnitzte er Tierbilder. Diese Tiere nutzen symbolisch beide Refugien, überwinden den Zaun, verbinden Innen und Außen und werden zu Hinweistafeln auf Wild- und wilden Kreativ-Wechsel.

Edwin Zaft

verweist mit seinem Text auf die aktuelle Situation in einem „Risikogebiet“. Seine Figur nennt er „König“. Ein kleiner König, der in falschen Kleidern daherkommt und sich in unsere Wahrnehmung drängt. Möge er bald enttarnt werden und die Dinge wieder ihren „normalen“ Gang nehmen.